Ein sagenhafter Berg - Die Baarburg und ihre Geheimnisse

Zu jeder Jahreszeit ist sie schön anzuschauen. Unübersehbar als imposantes und dominierendes Wahrzeichen prägt sie unser Landschaftsbild. Die schönste Seite bietet sich dem Betrachter von Süden her. Von Nordosten aus verschwindet sie mit der Albiskette im Hintergrund. Die Rede ist von unserem Hausberg, der Baarburg. Im Frühjahr, wenn die Bäume sich mit ihren Blättern in allen Grünt.nen zu kleiden beginnen erscheint die Baarburg wie ein knackig frischer Apfel. Im Herbst, wenn die Bäume ihr Kleid abermals wechseln, glänzt sie in rot-goldenen Farben, als wäre sie mit Goldstaub bepudert worden. Und nur in dieser Jahreszeit, so scheint es, gibt sie etwas von ihrer mystischen Seite preis.

Wenn die Temperaturen zu sinken beginnen, kann man die Nebelschwaden zwischen den Bäumen emporsteigen sehen. Weitherum sichtbar. Als würde der Berg rauchen und dampfen. Mit etwas Fantasie könnte man sich auch gut vorstellen, dass auf der Baarburg ein riesiges Ungeheuer wohnt und dieses schnaubend auf sich aufmerksam macht. Und schon wäre eine neue Sage geboren, die man sich erzählen könnte. Um den Baarer Hausberg, das Plateau liegt auf 683 Meter über Meer, wie die Baarburg liebevoll von den Baarerinnen und Baarern genannt wird, ranken sich zahlreiche Geschichten und wird bis heute viel spekuliert. Als sagenumwobener und mystischer Berg wird die Baarburg in mehreren Sagen beschrieben. In den Höhlen der Baarburg, so die Erzählungen, sei Gold zu finden. In meiner Jugendzeit gehörte es zur klassischen Mutprobe, ins Erdmanndliloch zu kriechen. Und um die Angst noch etwas zu schüren, wurde uns gesagt, dass sich ein grosses Loch darin befinde; falle man da runter, gäbe es kein zurück mehr. Auch wer die geheimnisvollen Schriftzeichen im Eingangsbereich hingekritzelt hat, ist bis heute ein Rätsel. In einer Sage wird erzählt, dass ein Bauer unten im Erdmannliloch liege. Dieser war den Erdmanndli, dem Zwergenvolk, das dort in den Höhlen und unter der Erde wohnen soll, nicht gut gesinnt. So erzählt die Geschichte weiter, dass der Bauer an einem schönen Morgen zwei Erdmanndli, die an seiner Scheune nach einer nächtlichen Wanderung Rast hielten, entdeckte. Einen der beiden Winzlinge hat er getötet, der andere konnte flüchten. Für diese schaurige Tat habe sich die Erdmanndli an diesem Bauern blutig gerächt und ihn in das dunkle Erdreich gelockt. Dort haben sie ihn bei lebendigem Leib mit Erde und Steinen begraben. Sein Geist macht sich bis zum heutigen Tag, vor allem im Winter, bemerkbar. Dann nämlich, hört man in dunklen Nächten sein Wehklagen und Jammern weitherum, bis ins Dorf. Gar unheimliches hat sich dort oben zugetragen. Und manches Geheimnis gibt die Baarburg auch heute nur zögerlich preis.

Ein Blick zurück in die Baarer Ur- und Frühgeschichte, zeigt, dass die Baarburg tatsächlich immer wieder bewohnt war. Aus nachweislich sieben verschiedenen Epochen finden sich Siedlungsspuren. Es könnten aber auch noch mehr sein. Von der Mittelbronzezeit, um 1500 v. Chr., bis ins frühe Mittelalter zeugen archäologische Funde. So geht man mit grösster Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Baarburg ein keltischer Fürstensitz war. Die Plattform spricht dafür. Hat man doch von oben eine fast ungehinderte Rundumsicht. Gerade in kriegerischen Zeiten war dieser Ausblick auf allfällige sich nähernde Feinde sehr wichtig. Frisches Quellwasser war ebenso vorhanden. Der Name Baar kommt aus dem keltischen Barros oder Barra und heisst soviel wie «auf der sicheren Anhöhe». Ruinenreste einer Burg hingegen sucht man vergeblich auf dem Plateau. So kann man nur vermuten, dass die Siedlung eher klein war, vielleicht ein paar stattliche Langhäuser, umgeben von einem Holz-Erde-Wall als Schutz vor Eindringlingen jeder Art, die diesen Fürstensitz ausmachten. Der Anführer der Sippe wird höchstwahrscheinlich ein einflussreicher, angesehener Herrscher gewesen sein. Hinweise darauf sind archäologische Funde. Wir können mit Stolz annehmen, dass es der einzige bekannte Fürstensitz in der Innerschweiz war. Der nächstgelegene dieser Art befindet sich auf dem Üetliberg. Die Lage auf der Baarburg indes war gut gewählt, lag sie doch an der Nord-Süd- Achse. Und die Gegenstände, die bisher gefunden wurden zeigen, dass die keltischen Bewohner auf der Baarburg regen Handel mit südlichen Nachbarländer betrieben. Kleine Fragmente kostbarer Gefässe aus Keramik und Metall sowie Fibeln mit Koralleneinlagen wurden gefunden. Keine leichte Aufgabe ist es für die Archäologen, aus den spärlichen Fragmenten Informationen über Lebensweise, Religion und Gesellschaft herauszulesen. Aber auch in späteren Epochen war die Baarburg ein wichtiger Siedlungsplatz. Davon zeugt der einzigartige Fund einer kleinen römischenStatuette des Gottes Merkur. Bemerkenswert ist auch der jüngst gemachte Fund einer persischen Münze aus dem 14. Jahrhundert. Es ist rätselhaft, wie dieses Geldstück aus dem Nahen Osten auf die Baarburg gekommen ist. Ob diese Münze auch in Zusammenhang mit der Sage «D Jude vo de Baarburg» gebracht werden kann, darüber kann wiederum nur spekuliert werden und bietet einmal mehr Raum für weitere Geschichten. Denn gemäss der Sage wurde die Baarburg einst unter anderem auch von Juden bewohnt, die dort nach Gold suchten.

Anfangs des letzten Jahrhunderts wurden erste archäologische Forschungen angestrebt. Der Berg gab nach und nach ein paar Schätze frei. Ganz kleine nur, aber immerhin. Darunter hatte es natürlich auch immer wieder Schrott und Unbrauchbares, so die Auskunft von Stefan Hochuli, dem Leiter der Archäologie des Kantons Zug. Interessant wie auch amüsant war die menschliche Schädelkalotte mit Gravur eines Tiers, die von Coiffeur Jean Melliger 1925 gefunden wurde. Melligers Kameraden, so wird vermutet, haben ihn mit diesem Scherz reingelegt. Später hat sich nämlich mit modernen Untersuchungsmethoden des Fundgutes herausgestellt, dass dieser «Sensationsfund» eine Fälschung war. Es war vielleicht gerade dieser Streich, der ausschlaggebend war, dass auf der Baarburg immer wieder verschiedene archäologische Untersuchungen angestrebt wurden. Die letzte grosse Grabung liegt schon eine Weile zurück. Diese wurde unter anderem von der Universität Bern in einem Gebiet von rund 40 Quadratmetern durchgeführt und fand in den 1990er Jahren statt. Aber auch diese Fundstücke waren keine riesigen Goldschätze. Vielmehr wurden abermals zahlreiche Keramikreste, Nadeln und Münzen gefunden. «Wir haben erst ein ganz winziges Gebiet des rund 13 Hektaren umfassenden Berges erforscht.», erklärt, Stefan Hochuli. «Im Juni 2014 steht die nächste Grabung auf dem Programm. Diesmal wird mit der Universität Zürich zusammen gearbeitet. Während zwei Wochen wird ein Gebiet um die Chugelrüti unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse werden dann vermutlich in der nächsten Heimatbuch-Ausgabe zu lesen sein.», führt Stefan Hochuli weiter aus.

Die Baarburg war abgesehen von keltischen Fürsten, auch von Beginen bewohnt. So kann man dies in der Sage «Die fromme Fraue vo de Chugelrüti» lesen. Was es genau auf sich hat mit den frommen Frauen, darüber habe ich versucht etwas mehr herauszufinden. Die Chugelrüti befindet sich eigentlich unterhalb der westlichen steilen Flanke, linksseitig des Schiessstandes. Vom Hochmittelalter, ab dem 12. Jahrhundert bis in die Neuzeit, gab es unzählige Sekten und religiöse Gemeinschaften. So hat am Fuss der Baarburg nachweislich eine kleine Gruppe Beginen (Frauen) oder Begarden (Männer) gewohnt. Diese religiöse Bewegung hat ihren Ursprung in Norddeutschland und Holland und iaht sich allmählich nach Süden bis in die Innerschweiz ausgebreitet. Die Beginen streben ein frommes Leben nach klösterlichen Prinzipien an. Die Kirche hat diese Bewegung nicht zu jeder Zeit gutgeheissen. Oftmals wurden Beginen des Ketzertums bezichtigt und entsprechend verfolgt. Da das Betteln vielerorts hier in der Gegend verboten war, mussten sie verschiedene Tätigkeiten ausüben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Beginen in Baar widmeten sich der Krankenpflege, hielten Totenwache und kümmerten sich um Aussätzige, aus der Gesellschaft Verstossene. Weitere Einnahmen ergaben sich aus dem Spinnen von Flachs und Wolle.In zwei Publikationen für Kirchenschriften finden sich Informationen zu den Beginen auf der Baarburg. In einer wird berichtet, dass es gar zwei Niederlassungen gegeben habe. Die eine bei der jetzigen Heiligkreuz-Kapelle, die andere bei Zimbelersteg, womit vermutlich die Chugelrüti gemeint ist. Den spärlichen Informationen zufolge haben lang anhaltende Regenfälle einen Murgang auf dem Plateau ausgelöst. So gibt es einen Eintrag im Jahrzeitbuch zum 8. April 1363, dass die Gemeinschaft von einem schweren Unglück heimgesucht wurde. Andererseits heisst es:« Als man Zelt 1361 inst gefallen ein grosser stein von dem berg Barburg und hat zerbrochen das gantz hus gar und hat dri schwösteren getödt, eine mit Namen Hedwig, die ander Adelheit, die drit Margaretha.» Am Ort des Unglücks, so erzählt wiederum die Sage, seien darauf «Fraueschüeli», eine einheimische Orchideenart, aus dem Boden gewachsen. Und in einem alten Baumstamm in der Nähe sei sogar der Geist eines Menschen gebannt und mit ihm ein grosser Schatz. Wie aus de erwähnten Dokumenten ebenfalls zu entnehmen ist, stand in der nähe des Frauenhauses das Bruderhaus. So wird unter anderem von einem Bruder Konrad Schillig berichtet, der 1566 dort ansässig war. Dieser verrichtete verschiedene Ämter in der Gemeinde. So trug er bei Prozessionen die Kirchenfahne, amtete als Totengräber und verrichtete bei Verstorbenen Gebete, was ihm den Beinamen «Dreissigbeter» einbrachte. Im Jahr 1780 erhielt Anton Roth ein Grundstück bei der Heiligkreuz-Kapelle, um eine neue Waldbruderei einzurichten, die aber lediglich sieben Jahre bestand.

Die Baarburg ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für Ruhesuchende. Die positiven Energien sind rundum spürbar. Man muss über keine besondere spirituelle Fähigkeiten verfügen, um dies zu merken. Eine magische Anziehung übt sie auch auf Menschen aus, die keiner konventionellen Glaubensrichtung nachgehen. Ende der 1990er-Jahre war die Baarburg immer wieder Ziel von Neopaganen und Esoterikern, die an verschiedenen Plätzen ihre Rituale ausübten und mehr oder weniger sichtbare Spuren hinterliessen. Einen ganz speziellen Bezug zur Baarburg hat Guido Stefani. Seit 1986 besucht er regelmässig mehrere Male pro Woche die Baarburg. Insgesamt über 2240 Mal ist er schon oben gewesen. Meistens alleine, ab und zu in Begleitung. So geht er Schritt für Schritt mit einem Spazierstock in der Hand. Dieser verleihe ihm die nötige Erdung, erzählt er. Die Baarburg habe ihn, schon seit er in der näheren Umgebung gewohnt habe, fasziniert. Bei jeder Begehung hinterlässt er seinen Abdruck. Eine Zeitlang habe er ein Erdloch mit Münzen gefüllt, berichtet er schalkhaft. Jeder Besuch führt ihn zum Unterstand. Dort fügt er an einem Balken mit Bleistift einen Strich hinzu. Dass er aber nicht der einzige ist, der das macht ist aus weiteren Kritzeleien ersichtlich. Er notiert Veränderungen, zeichnet auf, welche Tierspuren er entdeckt hat. Er habe so schon frevlerische Taten entdeckt und diese den Behörden gemeldet. Man merkt gleich, ihm liegt viel daran, dass die Natur so intakt wie möglich bleiben sollte. Hier schöpft er Kraft und Energie. Die meisten Bäume auf der Baarburg seien nicht so alt, weiss er. So gehen wir zu den ältesten Eichen auf dem Plateau hin, wo er regelmässig eine Baummeditation macht. Aus diesen Eichen gehe besonders gute Energie heraus. Mit besonderem Stolz erzählt er über die Tiere, die er hier schon gesehen hat. Vom seltenen Wanderfalken, von Hirschspuren im Winter, aber auch von Füchsen, Dachsen oder Gemsen weiss er zu berichten. Hier ist Guido Stefani in seiner eigenen Welt. Beschäftigt mit sich selber, seinen Gedanken. Er umkreist Bäume, legt Steine und Blätter zu einer Struktur an und gestaltet seine Plätze mit Naturmaterialien. Er beobachtet, wie das Wetter oder Tiere diese verändern. Manchmal sind es auch Menschen, die nicht merken, dass sie ein angelegtes Kunstwerk zerstören. Seit rund einem Jahr hat er den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt mit einer eigenen Website www.baarburg.ch. In seinen Protokollen hält er jeweils fest, welche Beobachtungen er bei seinem Besuch macht, und ergänzt die Einträge mit einem Foto. Langsam steigen wir wieder hinab, gestärkt von der frischen Luft. Auch Martin Lenz geht immer wieder auf die Baarburg. Er beschäftigt sich in seiner Freizeit mit Radiästhesie und Pendeln. So wie Guido Stefani empfindet auch er die Eichen auf dem Plateau als besonders energievoll. Die Baarburg sei ein Kraftort, meint er. Er habe schon an verschiedenen Orten gependelt. Die hohen Boviswerte haben ihn dabei nicht überrascht, weil er das intuitiv spüre, wo sich solche Kraftorte und Plätze befinden. Auch er empfindet die Baarburg als mystischen und faszinierenden Ort und ist gleichzeitig überzeugt, dass sich wohl auch noch die eine oder andere Arme Seele da oben befindet. Als Pendler nimmt er die Hüllen solcher Energien wahr. Wer das zulasse, könne es ebenfalls spüren. Und der Kreis schliesst sich mit dem Wissen, dass schon bei den Germanen und Kelten die Eichenbäume verehrt und auf solchen Plätzen kultische Handlungen bis zur Gerichtsbarkeit vollzogen wurden. So darf man behaupten, dass der Baarburg bis zum heutigen Tag etwas Mysthisches und Geheiminisvolles anhaftet, dem man sich kaum entziehen kann. Und sei es nur der Anblick von Süden her.
Maria Greco