Ein Wanderer sucht und hinterlässt Spuren

g.stefani

BAAR Guido Stefani ist über 2000 Mal auf die Baarburg gewandert. Der markante Hügel birgt für ihn noch immer viele Geheimnisse.
Die unverkennbare Form des Bergs, sie hat Guido Stefani von Beginn an fasziniert. Von einer früheren Wohnung im Weiler Hirzwangen in Ebertswil hatte er beste Sicht auf das markante Plateau der Baarburg. 1986 ist er das erste Mal auf das Baarer Wahrzeichen hinaufgewandert. Seither hat er dieselbe Route sehr oft absolviert, am Mittwochmorgen zum 2050. Mal.
Dabei geht es ihm gar nicht um diese Zahl. «Mit Zählen habe ich eher zufällig begonnen, ohne Absichten», sagt der 65-Jährige, der bis zu seiner Pensionierung Ende August als Protokollführer im Zuger Kantonsrat gearbeitet hat. Sauber dokumentiert sind seine Wanderungen trotzdem. In einem Unterstand auf der Hochebene sind seine Besuche fein säuberlich eingeritzt. Die 2050 Striche wirken fast wie Schnitzereikunst. Am Pfosten nebenan sind es 290 Striche. «So oft war meine Frau dabei», sagt Stefani.

Doch bei der simplen Zählung belässt es Stefani nicht. Er führt quasi Protokoll über seine Wanderungen. So macht er jedes Mal ein Porträtfoto von sich, und in einem Notizbuch hält er Beobachtungen fest: Er notiert, wie das Wetter ist, was sich verändert hat, was ihm speziell aufgefallen ist. «So entsteht das Tagebuch eines Ortes», sagt er. «Ein Tagebuch, das aber stark durch mich als Betrachter geprägt ist.» Kleine Kunstwerke im Dickicht Guido Stefani ist ein Beobachter. Ihm fallen kleine Veränderungen auf, weil er fast immer dieselben Wege geht. Er sieht den Bäumen beim Wachsen zu, er verfolgt Tierspuren, dokumentiert Kritzeleien am Unterstand oder liegen gebliebenen Abfall. Dabei kommt es auch immer wieder zu spannenden Begegnungen – mit Menschen, wie jenem älteren Herrn, der im selben Unterstand ebenfalls seine Baarburg-Besuche dokumentiert hat. Mit einer esoterischen Gruppe, die sich am Rand des Plateaus eine Höhle für ihre Tre!en gegraben hat. Oder mit Jugendlichen, die auf der Baarburg Goa-Partys feiern. Geblieben sind Guido Stefani aber auch die vielen Begegnungen mit Tieren: Rehe, ganze Fuchsfamilien, Schwarzspechte, Dachse oder Waldkäuze hat er auf seinen Touren schon gesehen. Der introvertierte Luzerner sucht aber nicht nur nach Spuren anderer, er hinterlässt auch selber welche – und das ganz bewusst. Um zwei, drei Bäume dreht er bei jeder seiner Touren ein paar Runden, damit sich das Dickicht nicht ausbreitet. Mitten im Brombeergestrüpp hat er aus Ästen, Blättern und Steinen einen kleinen Hügel gestaltet. «Mein Iglu», nennt er ihn. Und an einer anderen unzugänglichen Stelle räumt er ein kleines Plätzchen von Ästen frei und stapelt diese gleich nebenan auf. Auch hier achtet er genau darauf, was sich an seinen «Strukturen» zwischen seinen Besuchen ändert. Das reicht von einfacher Zerstörung, was ihn immer schmerzt, bis zur künstlerischen Interaktion. Aus dem Asthaufen hat eine ihm unbekannte Person eines Tages einen kleinen Kranz gestaltet. Protokolle werden publiziert.

Für Guido Stefani sind die Wanderungen auf die Baarburg ein Ritual, auf das er nicht mehr verzichten will. Er geniesst die Ruhe auf der Hochebene, nutzt die Zeit, um Ruhe zu "nden und zu meditieren. Lange haben nur einige Verwandte und Freunde von seiner A#nität zur Baarburg gewusst. Im Zuger Kantonsrat, wo Stefani von 1999 bis zu seiner Pensionierung an jeder Sitzung dabei war, hat kaum jemand das Hobby des Protokollführers gekannt. Doch damit ist es nun vorbei. Stefani will nun einen Schritt weiter gehen und seine Fotos und Protokolle im Internet publizieren. Fürchtet er nicht um die Ruhe und um seine künstlerischen Strukturen? «Es ist für mich ein Dilemma», gesteht er ein. «Und ich habe lange gezögert.» Die Gefahr, dass sein Iglu oder andere seiner Konstrukte zerstört werden, werde damit grösser. «Aber letztlich sind das auch Interaktionen mit meinen Spuren. Und auf diesen Austausch bin ich sehr gespannt.» SILVAN MEIER Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.