1925 hat ein Baarer Coiffeur Objekte in der Baarburg ausgegraben, die aus der Steinzeit stammen sollten. Sogar in London war der Fund eine Schlagzeile und sorgte für Spekulationen unter Experten. In den 90er-Jahren tauchte jedoch der vermeintliche Beweis für deren Fälschung auf. Was ist dran den Vorwürfen?
Vor fast 100 Jahren sorgt eine archäologische Entdeckung aus Baar für internationale Schlagzeilen. Jean Melliger, Coiffeur aus Baar mit ausgeprägtem Interesse für Geschichte, hatte im Juli 1925 auf der Baarburg bemerkenswerte Objekte ausgegraben. In einer Nagelfluhspalte fand er ein menschliches Schädeldach mit der eingeritzten Zeichnung eines Tiers. In der Nähe lagen steinzeitlich anmutende Gerätschaften aus Knochen und Stein. Einige Zeit später entdeckte er weitere «ganz aus der Art fallende Objekte»
Fachleute datieren Melligers Entdeckungen rasch in einen Abschnitt ganz am Ende der Altsteinzeit (16'000–10'000 v. Chr.), in dem Menschen erstmals Gegenstände aus Geweih, Knochen und Stein mit eingeritzten Zeichnungen verzierten. Diese eiszeitliche Kunst ist im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert hochaktuell, denn viele bedeutende Fundstellen sind eben entdeckt worden. Eine Publikation in den Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Urgeschichte macht auch die Funde von der Baarburg bei Fachleuten aus dem In- und Ausland bekannt. Nicht wenige reisen nach Baar, um die Objekte im Original zu besichtigen.
Zweifel an der Echtheit kommen auf
Doch wie kommt es, dass diese wichtigen Baarer Funde in der Altsteinzeit-Ausstellung «Mammuts», die im Museum für Urgeschichte(n) eben zu Ende gegangen ist, nicht zu sehen waren? Schuld daran sind berechtigte Zweifel an ihrer Echtheit. Schon bald nach der Entdeckung der Funde entbrennt unter Forschern eine rege Diskussion über ihr Alter. Die einen sind überzeugt, eiszeitliche Kunst vor sich zu haben. Dass die Zeichnungen eher ungelenk und die Steinwerkzeuge auch ziemlich ungewöhnlich gestaltet sind, erklären sie mit ihrer besonders späten Zeitstellung. Andere argumentieren damit, dass an der Fundstelle keine weiteren altsteinzeitlichen Funde vorhanden seien, wohl aber solche aus späteren Epochen.
Sie datieren daher auch die fraglichen Fundstücke in römische oder frühmittelalterliche Zeit. Ein Forscher stellt gar die These auf, es handle sich um Spuren einer «sorcellerie romaine», einer römischen Hexenküche. Bereits früh äussern manche Zweifel an der Echtheit der Funde. So soll ein namhafter deutscher Forscher gesagt haben: «So viele schöne Sachen findet man nicht beisammen». Da Jean Melliger es unterlassen hatte zu dokumentieren, in welchen Schichten seine Funde lagen, werden weitere Sondierungen im Jahr 1930 durchgeführt – leider ohne Licht in die Angelegenheit zu bringen. Allmählich wird es ruhig um die Baarburg, und andere Zuger Fundstellen rücken ins Zentrum des Interesses.
Erst 1960 äussert sich Josef Speck, späterer Kantonarchäologe des Kantons Zug, wieder zu den Funden. Für ihn, der Jean Melliger wohl persönlich kannte, ist es offenbar undenkbar, dass es sich um Fälschungen handelt. Es ist ihm ein Anliegen, die Integrität des Finders zu betonen. Spätere Generationen von Forschern behandeln die Funde mit Zurückhaltung, denn zu eigenartig sind die Stücke und zu lückenhaft dokumentiert ihre Fundumstände.
Naturwissenschaften sorgen für Klarheit – mindestens beinahe
In den 1990er-Jahren sind die Funde von der Baarburg mit der 14C-Methode naturwissenschaftlich datiert worden. Für den menschlichen Schädel ergibt sich dabei ein neuzeitliches Datum – ein starkes Argument für die Fälschungs-Theorie. Ein winziger Vorbehalt bleibt allerdings bestehen: Die Schädelkalotte ist vor der Datierung mit neuzeitlichen Konservierungsmitteln behandelt worden, was das Ergebnis sicherlich verfälscht. Doch die Gesamtheit der Fakten spricht klar dafür, dass mit den Funden etwas nicht stimmt. Sie werden heute als Fälschungen betrachtet.
Aus diesem Grund hat Museumsleiter Ulrich Eberli darauf verzichtet, die Objekte in der Sonderausstellung «Mammuts» zu präsentieren. Wer sie allerdings sehen möchte, kann dies im forschungsgeschichtlichen Teil der Dauerausstellung «Es war einmal» tun. Wie die Fälschungen 1925 auf die Baarburg gelangten, lässt sich heute nicht mehr rekonstruieren. In jüngster Zeit hat sich die Geschichte verbreitet, Freunde, die von Jean Melligers Ausgrabungsplänen wussten, hätten ihm einen Streich gespielt.
Doch ob echt oder falsch, die dubiosen Funde sind mit ein wichtiger Grund dafür, dass es in Zug überhaupt ein Museum für Urgeschichte(n) gibt. Nach ihrer Entdeckung wuchs nämlich das Interesse an der Archäologie in der Zuger Bevölkerung und Politik, und es wurde der Wunsch nach einem urgeschichtlichen Museum laut. Im November 1928 wurde zu diesem Zweck die «Vereinigung zur Förderung der Urgeschichte im Kanton Zug» (heute Archäologischer Verein Zug) gegründet, und schon zwei Jahre später feierte das erste Kantonale Museum für Urgeschichte seine Eröffnung.
(Museum für Urgeschichte(n) in «zentralplus» vom 24. Mai 2019)