Etwa so könnten die
Erdmanndli aussehen.
(Bild: Illustration von Brigitt Andermatt.)
Maria GrecoTheaterschaffende, |
Erschienen am 01.01.2021 auf zentralplus.ch
Der Baarer Hausberg hatte schon seit jeher eine spezielle Strahlkraft auf die Menschen. Nicht nur mit dem Lichterweg, der den zahlreichen Besuchern einen mythischen Spaziergang beschert. So manches Geheimnis gibt die Baarburg nur zögerlich preis, wie jenes der Erdmanndli, die den Kanton Zug früher in grosser Zahl bewohnt haben sollen.
Um den Baarer Hausberg – das Plateau liegt auf 683 Metern über Meer – ranken sich zahlreiche Geschichten und es wird bis heute viel spekuliert. Die Baarburg gilt gemeinhin als Ort, der gute Energien ausstrahlt. Als sagenumwobene und mythische Erhebung wird sie in mehreren Sagen beschrieben. In den Höhlen der Baarburg, so die Erzählungen, sei sagenhaftes Gold zu finden. Wer schon einmal im Erdmanndliloch war, kann beim Eingang geheimnisvolle Schriftzeichen sehen. Von wem diese stammen oder was sie bedeuten, ist nicht bekannt und bis heute ein Rätsel.
Auf der Baarburg stand nie eine Burg, die Erhebung war aber immer wieder bewohnt. Aus nachweislich sieben verschiedenen Epochen liessen sich Siedlungsspuren finden und es könnten durchaus noch mehr sein. Um 450 v. Chr. war die Baarburg ein keltischer Fürstensitz. Der Name Baar kommt aus dem keltischen Barros oder Barra und heisst so viel wie «auf der sicheren Anhöhe». Wahrscheinlich war es eine eher kleine Siedlung, vielleicht ein paar stattliche Langhäuser, umgeben von einem Holz-Erde-Wall als Schutz vor Eindringlingen jeder Art. Vom Plateau aus hat man eine perfekte Rundumsicht, was in kriegerischen Zeiten von Vorteil war. Zudem war auf der Baarburg frisches Quellwasser vorhanden.
Die Erdmanndli auf der Baarburg
Die Baarburg wurde aber nicht nur von Menschen bewohnt. In verschiedenen Erzählungen wird berichtet, dass Erdmanndli in früheren Zeiten in grosser Zahl im ganzen Kanton Zug und insbesondere auf der Baarburg gelebt und gearbeitet haben. Erdmanndli waren eher klein, manchmal auch etwas grösser und hatten eine nussbaumbraune Farbe. Den Menschen zeigten sie sich in der Regel nur ungern.
Eine Eigenschaft, die sie aber auszeichnete, ist, dass sie in der Liebe und im Hass keine Grenzen kannten. So konnten sie einerseits als fleissige Gehilfen den Bauern in der Umgebung eine grosse Hilfe sein. Beim Melken, Heuen und bei der Ernte waren sie meistens willkommen. Es gab aber auch ein paar von ihnen, die recht garstig, streitsüchtig und geizig waren. Das waren jedoch eher Ausnahmen.
In den weit verzweigten Höhlen und Felsspalten, so wird berichtet, hüteten und bewachten sie riesige Schätze aus Gold, Silber und Edelsteinen. Fremden oder neugierigen Besuchern haben sie meist einen grossen Schreck eingejagt und sie vertrieben. Es geschahen aber auch viele wunderliche Dinge. So wie in der folgenden Geschichte.
S’Erdmanndli und de Buur
Vor langer Zeit haben Erdmanndli im Erdmanndliloch gehaust. Die Zwerge haben den Menschen der Umgebung gerne geholfen, wenn man sie dafür in Ruhe liess. Sie
konnten sich aber fürchterlich rächen, wenn man sie belästigt oder gequält hatte. So kam es, dass ein Bauer eines frühen Morgens bei seinem Stall zwei Erdmanndli entdeckte. Diese waren von ihrer nächtlichen Wanderung ziemlich spät dran und hielten beim Stall nur eine kurze Rast. Als der Bauer die zwei winzigen Wesen entdeckte, wollte er sie mit seinen Schuhen erdrücken. Denn der Bauer hielt wenig von diesem Zwergenvolk. Während das eine Erdmanndli mit knapper Not entkommen konnte, wurde das andere von den schweren Nagelschuhen zertreten.
Nach diesem tragischen Unglück war im Erdmanndliloch beim Erdmanndlivolk die Trauer um das Erdmanndli gross. Der weise Rat der Erdmanndli kam zusammen und es wurde beschlossen, diese hinterhältige Tat beim Bauern blutig zu rächen.
Die Rache der Erdmanndli
Geduldig warteten die Erdmanndli, bis der Bauer seinen Acker bestellt und den Weizen ausgesät hatte. Die ersten Halme wuchsen schön aus dem Boden heraus. In einer dunklen Nacht aber gingen die Erdmanndli auf den Acker und rissen alle Jungpflanzen aus. Als der Bauer am nächsten Morgen nach seinem Weizen schauen wollte, sah der Acker aus, als wären tausend Ochsen darübergetrampelt. Er fluchte und tobte und seine Wut auf das Zwergenvolk wurde noch grösser. Er machte sich aber noch einmal an die Arbeit und wollte den Acker pflügen.
Als er damit begann, brach ihm seine Pflugschar auseinander. Sein ganzer Acker war voller Steine. Auch das waren die Erdmanndli gewesen, die in der Nacht auf dem ganzen Acker eine Unmenge von Steinen vergraben hatten. So war das Feld unfruchtbar.
Nun reichte es dem Bauern endgültig. In seiner grenzenlosen Wut wollte er das Zwergenvolk endgültig vernichten. Er packte einen Dreschflegel und wollte auf die Baarburg zum Erdmanndliloch hinaufstürmen. Am Eingang der Höhle stolperte er aber und fiel in ein tiefes Loch. Das Loch hatten die Erdmanndli gegraben und mit Laub und Ästen zugedeckt. Aus diesem Loch kam der böse Bauer nicht mehr heraus. Wie Ameisen fielen die Erdmanndli über ihn her und begruben ihn mit Steinen und Erde lebendigen Leibes.
Und heute?
Noch heute hört man das laute Wehklagen und Stöhnen des Bauern in den stürmischen Winternächten von der Baarburg herunter.
Ob es heute noch Erdmanndli auf der Baarburg gibt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Da sie eher zurückgezogen leben und weil der Mensch immer mehr Raum einnimmt. Aber wenn man ihnen gut gesinnt und nicht zu neugierig ist, kann es durchaus sein, dass sie sich von Zeit zu Zeit zeigen. Suchen sollte man sie aber nicht, denn allzu neugierigen Menschen stellen sie gerne Stolperfallen.